Felix Koltermann

Alles eine Frage der Haltung?

Überlegungen zur gesellschaftlichen Rolle professioneller Fotograf/-innen

Seit den 1990er Jahren ist in den Massenmedien ein Trend zur Illustration zu beobachten, in dessen Rahmen es zu einer visuellen Vermassung der Welt gekommen ist. Bilder aus unterschiedlichen Produktionszusammenhängen, der Werbefotografie, dem Fotojournalismus und der privaten Fotografie, sind allgegenwärtig. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Rolle den professionellen Fotograf/-innen zukommt. Es ist zu überlegen, was professionelle Bildproduzent/-innen in Zeiten von Smartphones und Digitalkameras eigentlich von Amateur-Fotograf/-innen unterscheidet. Meiner Ansicht nach ist ein wesentlicher Aspekt des Berufsbildes neben technischer Präzision die Entwicklung einer Haltung als professionelle Bildproduzent/-innen.

Laut Duden ist Haltung eine „innere (Grund)einstellung, die jemandes Denken und Handeln prägt“.1http://www.duden.de/suchen/dudenonline/haltung Es kann auch ein „Verhalten, Auftreten (sein), das durch eine bestimmte innere Einstellung, Verfassung hervorgerufen“ wird.2Ebd. Somit hat die Haltung zwei Komponenten: zum einen eine Orientierung nach innen, ein persönliches, ethisch fundiertes Konzept und zum anderen eine Orientierung nach außen, die sich in den Handlungen niederschlägt. Aufschlussreich ist diesbezüglich auch die Definition auf Wikipedia, die von einer „auf ein Ziel gerichtete(n) Grundhaltung eines Menschen“ spricht.3http://de.wikipedia.org/wiki/Haltung

Eine Profession, die sehr stark das Konzept der Haltung verinnerlicht hat und dies gleichzeitig immer wieder kritisch diskutiert, ist der Journalismus. Dort stehen sich vor allem zwei Positionen diametral gegenüber. Die Einen vermuten hinter einer Haltung das Einfallstor für einen ideologischen Gesinnungsjournalismus, die Anderen sehen darin ein Qualitätsmerkmal für den klassischen „objektiven“ Journalismus. So spricht Sonia Mikich in dem Sammelband „Wozu noch Journalismus? Wie das Internet einen Beruf verändert“ von Haltung als einem „Alleinstellungsmerkmal für interessanten, guten Journalismus“.4Seymour Mikich, Sonia: Sind wir Putzerfisch?, In: Weichert, Stephan A./Kramp, Leif/Jakobs, Hans-Jürgen (2010): Wozu noch Journalismus? Wie das Internet einen Beruf verändert, Göttingen, Vandenhoeck& Ruprecht, S. 89 Jakob Augstein legt sich in einem Streitgespräch mit Giovanni di Lorenzo im Magazin Medium darauf fest, dass es „keinen guten Journalismus ohne Haltung“5http://www.mediummagazin.de/archiv/2010-2/ausgabe-4_5-2010/haltung-bitte/ gibt.

Und Bernhard Pörksen spricht in seiner Laudatio für eine Preisverleihung der Akademie für Publizistik gar von Haltung als „Ethik in Ich-Form“.6Pörksen, Bernhard: Haltung im Journalismus ist Ethik in Ich-Form, http://www2.evangelisch.de/themen/medien/haltung-im-journalismus-ist-ethik-in-ich-form35059 Zur Haltung werden dabei so unterschiedliche Merkmale gezählt wie moralische Grundsätze, professionelle Kompetenzen in Recherche und Stil und Verantwortung gegenüber dem Gemeinwohl und der Demokratie.

Professionelle Bildproduzent/-innen sind Menschen, die mit der Kamera die Welt beschreiben und das Fotografieren zu ihrem Beruf gemacht haben. Sie finden sich in vielen Bereichen, von der Porträt-, der Werbe- und Reisefotografie über künstlerische Fotografie bis hin zu Fotojournalismus und immer öfter in Mischformen und mit Standbeinen in vielen verschiedenen Bereichen, um dem ökonomischen Druck standhalten zu können. Die professionelle Fotografie steht dabei immer in einem Spannungsverhältnis zwischen der kritischen Dokumentation gesellschaftlicher Zustände, sowie der Reproduktion und Festschreibung gesellschaftlicher Verhältnisse. So orientiert sich bspw. die Werbefotografie – leider allzu oft sehr klischeehaft – an gesellschaftlichen Rollenbildern. Durch das reproduktive Abbilden trägt sie dazu bei, diese Rollenbilder zu verfestigen, und nur selten werden diese aufgebrochen. Dabei soll nicht grundsätzlich gefordert werden, dass Werbefotografie per se die Gesellschaft in Frage stellen muss. Professionelle Bildproduzent/-innen müssen sich jedoch bewusst darüber sein, warum sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten bestimmte Dinge tun und andere lassen. Ähnliches gilt auch für die Fotojournalist/-innen. Durch ihre Thematisierung gesellschaftlicher Zustände legen sie Wertigkeiten fest. Auch sie müssen sich fragen lassen, warum sie bestimmte Themen bearbeiten und wie sie gesellschaftliche Akteure in Szene setzen.

„Haltung ist wichtiger als Stil“ postuliert der Altmeister der Fotografie René Burri in einem Interview für die österreichische Tageszeitung Der Standard und legt damit klar eine Rangordnung fest.7http://derstandard.at/1389857464337/Rene-Burri-Haltung-ist-wichtiger-als-Stil Wobei für Andere, wie bspw. Andreas Herzau, sich Haltung insbesondere im Bildjournalismus durchaus auch in einem eigenen Stil zeigen kann.8http://blog.andreasherzau.de/einer-der-interessantesten-berufe-der-welt-ist-bildjournalist/ Haltung bedeutet erst einmal nichts anderes als bewusstes bildnerisches Handeln: ein Handeln im Bewusstsein möglicher Konsequenzen, welche die Produktion von Bildmaterial nach sich ziehen kann. Um dieses Bewusstsein erlangen zu können, sind umfangreiches Bildwissen und eine ausgeprägte Bildkompetenz, vor allem hinsichtlich ikonografischer Traditionen und aktueller Bilddiskurse von großer Bedeutung. Wer im 21. Jahrhundert professionell Bilder produziert, muss wissen, dass er ein Terrain betritt, welches von jahrhundertealten Traditionen des Sehens und Gestaltens präpariert wurde. Zu einer Haltung gehört eine reife und gefestigte (Fotograf/-innen-)Persönlichkeit. Sie kann am Ende eines (Lern-)Prozesses stehen, gleichzeitig hat sie aber auch selbst etwas Prozesshaftes. In jedem Fall sind für ihre Entwicklung Zeit und ein geschützter Raum vonnöten, in dem sie sich entfalten kann. Es sind Aspekte wie die Haltung, die sich immer wieder bewusst gemacht und in kritischer Diskussion neu geschärft werden müssen. Nur dann kann die professionelle Fotografie ihrer besonderen Rolle gerecht werden und sich von der Amateurfotografie abgrenzen.