Alexander Hagmann

romka magazine
Ein Gespräch mit Joscha Bruckert

Das romka magazine, ein von Joscha Bruckert kuratiertes fotografisches Zeitschriftenprojekt, hat sich in den letzten Jahren durch seine Eigenart zu einer fast konkurrenzlosen Publikation entwickelt, die mittlerweile auch in internationalen Kunstbuchhandlungen zu finden ist. Alec Soth schrieb in „2012: The Year According to Alec Soth“:
„[…] great curation and beautiful design make this a truly endearing publication.“
Ein Interview.

Wie kam es zu der Entwicklung des Formates romka?

Die Arbeit an romka begann 2008, zu einer Zeit, in der Onlinemagazine wie Unkraut aus dem Boden schossen. Kurios war, dass praktisch alle diese Projekte das gleiche Thema hatten: emerging artists – junge, aufstrebende Künstler. Oder auch: hippe Bilder von hippen Menschen. In einem Anflug von Trotz habe ich mich dann entschieden, ein Magazin über andere Bilder zu machen, und zwar über persönliche Lieblingsfotos. Es durften nicht nur Künstler mitmachen, sondern auch Amateure, Studenten und kommerzielle Fotografen. Die erste Ausgabe entstand dann im Rahmen des Seminars „The Market“ bei Professor Cindy Gates.

Du arbeitest also ausschließlich mit Fotos von anderen. Nimmt romka auch Bezug zu deiner eigenen Arbeit? Und wenn ja, in welchem Umfang?

Es ist eher so, dass beidem eine gemeinsame Fragestellung zugrunde liegt, und zwar die Suche nach dem guten oder auch zeigenswerten Bild. Es ist ja keine Neuigkeit, dass wir uns inmitten einer sich rapide beschleunigenden Bilderflut befinden (siehe Erik Kessels Fotoberg im „foam“). Seitdem praktisch jeder Blog durch endloses Scrollen aufgesaugt werden kann, verlieren die abgeschlossenen Einheiten – die Seite, die Serie, das Buch, die Ausstellung – zunehmend an Relevanz. Ein Lieblingsfoto, das allein aus persönlichen Gründen ausgewählt wird und damit auch immun gegen den theoretischen Diskurs ist, empfinde ich da als erfrischend eindeutig.

Arbeitest du alleine an jeder Ausgabe oder holst du dir auch Hilfe von außerhalb?

Seit der sechsten Ausgabe habe ich den Grafiker Benedikt Bock an Bord, HGB-Student und praktischerweise auch mein Mitbewohner. Der ganze Rest, von der Auswahl über den Vertrieb und die Pressearbeit bis zur Website läuft weiterhin über meinen Schreibtisch. „Kontrollzwang“, sagt man, glaube ich.

Wie groß siehst du den Unterschied von den ersten PDF-Ausgaben zu den Printversionen?

Abgesehen davon, dass die Qualität der Einreichungen mit wachsender Bekanntheit deutlich zugenommen hat und dass ich in den letzten Jahren auch das ein oder andere dazugelernt habe, hat Benedikt als Grafiker in Sachen Gestaltung schon eine ganze Menge verbessert. Das tut natürlich auch den Bildern gut. Der Schritt auf das Papier war aber auch insgesamt sehr wichtig: das Buch oder Heft als Objekt erzeugt für den Leser eine ganz andere Erfahrung. Wenn das altmodisch ist, bin ich gerne altmodisch. Wer schon mal ein „Fotobuch“ auf dem iPad durchgewischt hat, sehnt sich schnell wieder nach echten Seiten.

Nach welchen Kriterien suchst du Bilder aus den Einreichungen aus?

Ich mache mir zunehmend weniger Gedanken darüber, was eine für die Leserschaft interessante Auswahl sein könnte und gehe mehr dazu über, das Heft wie eine freie Arbeit zu behandeln. Ich suche aus, was ich selber ­interessant finde und was in Kombination mit anderen Bildern und Geschichten gut funktionieren könnte und benutze die Einreichungen wie ein Bildarchiv. Position zu aktuellen gesellschaftlichen Themen zu beziehen fand ich schon immer überflüssig. Es gibt also wirklich keine Kriterien, außer meinen eigenen Geschmack.

Hattest du nach den ersten Einreichungen schon das Gefühl mit diesem Format eine bestimmte Gruppe Fotografie-Interessierter anzusprechen?

Mein Wunsch war es von Anfang an, ein möglichst breites Spektrum anzusprechen und auch zu beteiligen. Von der international renommierten Fotokünstlerin bis zum Sportstudenten, der mit dem Telefon fotografiert. Die Grenzen der „Fotoszene“ zu überschreiten ist aller­dings sehr viel schwieriger, als ich es mir vorgestellt habe. Aber vielleicht ist das auch gar nicht schlimm – romka ist ja nicht die „View“ und wahrscheinlich unzugänglicher, als ich mir eingestehen möchte.

Wie siehst du die These, dass eigentlich jede eingereichte Arbeit veröffentlicht werden müsste?
Denn welche Geschichte wichtig oder interessant ist, entscheidet ja jeder der Fotografen für sich. romka ist ja nicht nur Lieblingsfotos plus Geschichten, sondern das, was ich daraus mache. Eine ungefilterte Veröffentlichung aller eingereichten Bilder wäre dem Bombardement auf Facebook, Flickr, Pinterest und wie sie alle heißen gar nicht so unähnlich.

Wie wichtig ist die endgültige Zusammenstellung der eingereichten Geschichten und Bilder in dem Magazin? Wie wichtig ist dir eine Dramaturgie?

Eine holprige Sequenzierung und zu großzügige Auswahl ist meiner Meinung nach das, an dem die meisten fotografischen Arbeiten scheitern. Man könnte mit derselben Grundidee und demselben Pool an Einreichungen ein ganz anderes und auch wirklich abgrundtief schlechtes Heft machen – einige Teile der frühen Ausgaben sind da ein ganz gutes Beispiel. Blindes Zusammenwürfeln funktioniert nicht, und ein gutes Bild zu einem schlechten Zeitpunkt kann einiges verderben.

Können Bilder auch ohne Text eine Geschichte erzählen, die im romka magazine veröffentlicht wird?

Bilder können vereinzelt schon vortäuschen, eine Geschichte zu erzählen, aber im romka magazine habe ich davon Abstand genommen. Ich bin zu fasziniert von dem Moment, in dem man die Geschichte gelesen hat und das Bild ein zweites Mal anschaut. Wenn man, ­sowohl im Motiv als auch in der Struktur des Bildes selbst, nach Hinweisen auf die neuen Informationen sucht, geht mir das Herz auf. Was seltsam ist, denn genau diese Notwendigkeit von externen Informationen ist das, was mir an vielen künstlerischen Arbeiten nicht gefällt.

Der Autor David Sedaris erzählt in „Me Talk Pretty One Day“ von einer Studentin aus der Zeit, in der er kreatives Schreiben unterrichtet hat: „The returning student had recently come through a difficult divorce, and because her pain was significant, she wrongly insisted that her writing was significant as well.“

Das erinnert mich an die Art von „Fotokunst“ bei der beispielsweise ein stinklangweiliges Haus stinklangweilig fotografiert wird und dann auf einer Bleiwüste in A4 erklärt wird, dass dieses Bild sehr wertvoll ist, weil in diesem Haus mal jemand gestolpert ist oder die Bibel übersetzt hat oder was auch immer. Dass genau dieses Prinzip in abgewandelter Form das ist, was mir an den Bildern im romka magazine so gefällt, ist natürlich sehr inkonsequent, ich weiß. So richtig erklären kann ich es nicht.

In wieweit demokratisiert das Magazin die Fotografie im Allgemeinen?

Die Fotografie im Allgemeinen kann ja kaum weiter demokratisiert werden. Abgesehen von den Menschen, die keinen Zugang zu einer Kamera mit Internetanschluss haben, hat ja (zumindest theoretisch) jeder die Möglichkeit, ein Foto zu machen, das noch am selben Tag auf der ganzen Welt gesehen wird. Worauf es mir ankommt, ist ein demokratisierter Zugang zu der Institution „gedrucktes Magazin“. Rhetorische 95 Prozent der Fotos, die gemacht werden, sind Erinnerungsfotos. Geliebte Menschen, wichtige Orte, große und kleine Ereignisse im Privatleben. Gleichzeitig geht es in praktisch jedem Fotomagazin um Kunst, Mode, Lifestyle und so weiter. romka soll die Fotografie für das feiern, was sie für die allermeisten von uns bedeutet – konservierte Erinnerungen, mit denen wir unser Leben zusammenhalten.

Das Interview fand per Mail am 16./17.07.12 zwischen Dortmund und Leipzig statt.

The man in this photograph looks exactly, exactly like my Dad, and everytime I look at it I can’t help thinking Dad does this, too, and it makes me feel guilty for going so far from home and never calling.

Charlie Engman, UK