Susanne Brügger

„editorial“

Das vorliegende Heft ist die vierte Ausgabe der cahiers – Hefte zur Fotografie. Als Zeitschrift des Masterstudiengangs Fotografie – Photographic Studies an der Fachhochschule Dortmund thematisiert die in loser Folge erscheinende Heftreihe die Fotografie in ihren Gebrauchsweisen. Studierende, Lehrende, Absolventen und Gäste sind die Autoren dieser Ausgabe der cahiers. In Essays, bildnerischen Arbeiten, Interviews und Kritiken untersuchen sie die Fragestellungen des Mediums und seiner Anwendung aus unterschiedlichsten Blickwinkeln

cahier, cahiers [ka’je]: Heft, Hefte [franz]
cahiers du cinéma: legendäre
französische Filmzeitschrift,
1951 gegründet u.a. von André Bazin

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Kaum etwas stellt das Selbstverständnis professioneller Fotografie so grundsätzlich zur Disposition wie die Verwendung von found footage. Der gewohnte Dreiklang aus der perfekten Technik, dem Wirklichkeitsversprechen objektiver Information und dem Nachweis der Autorschaft durch individuelle Ästhetik wird durch den Gebrauch fremden fotografischen Materials nachhaltig irritiert. Die meisten Vertreter der angewandten wie auch viele der künstlerischen Fotografie kultivieren daher auch ihre Skepsis und wahren sicheren Abstand zu dieser Praxis der Bildproduktion, da sie die Autorschaft und deren Nutzen prinzipiell in Zweifel zieht. Die als Antidot gepflegte Praxis der Neuinszenierung der immer gleichen Bilder umläuft das Problem währenddessen und führt letztlich nur zu einer Aushöhlung der Bildkultur.

Aus den avancierteren fotografischen und künstlerischen Arbeiten ist der Umgang mit entliehenen Bild- und Informationsquellen allerdings schon nicht mehr wegzudenken, seit Braque und Picasso vor über einem Jahrhundert Zeitungsausschnitte in ihre Gemälde integrierten. Mittlerweile stellen die akkumulierenden Bildarchive unserer Zeit ebenso wie der alles überspannende Datenhimmel eine nie versiegende Quelle von Material bereit, das nicht nur von Künstlern, sondern auch von Kuratoren, Bildredakteuren und Gestaltern ausgiebig und gerne genutzt wird.

Bei der Motivation, fremde Quellen zu nutzen, reicht die Spanne von dreistem Diebstahl aus schlichter Einfallslosigkeit bis hin zur in der Regel durchaus arbeitsintensiven Verarbeitung in neuartigem künstlerischen Kontext. Die sorgfältige Deutung der Quellen, fotografische Kenntnisse in technischer und historischer Hinsicht, gestalterische Kompetenz und nicht zuletzt die Verantwortung des Autors werden daher bei der Rekontextualisierung von Bildmaterial zu zentralen Voraussetzungen einer Bildproduktion zweiter Ordnung.