Susanne Brügger

editorial I

Jason McCullough

Well, you see, actually I was on my way to Australia when I heard about your gold strike and I decided to, uh, travel through here and see if I couldn‘t pick myself up a little stake.

Thomas Devery

What do you want to go to Australia for?

Jason McCullough

Well, it‘s the last of the frontier country. Thought I might like to do a little pioneering.

Fred Johnson

I thought this was frontier country and we was pioneers.

Henry Jackson

So did I.

Burt Kennedy, Support Your Local Sheriff, USA 1969

cahier, cahiers [ka’je]: Heft, Hefte [franz]cahiers du cinéma: legendäre französische Filmzeitschrift, 1951 gegründet u. a. von André Bazin

New Frontiers. Im Juli 1969 zeigt die erste Mondlandung Bilder von der Mondoberfläche und – vielleicht noch wichtiger – Bilder des Blauen Planeten: ein Höhepunkt der Menschheitsgeschichte, der Forschung und auch der Fotografie – und in der elterlichen Wohnung hängt eine Karte vom Mond an der Wand.

Die cahiers – Hefte zur Fotografie untersuchen die Gebrauchsweisen der Fotografie. Dies ist Heft #5. Es wird gemeinsam erarbeitet mit Studierenden des BA Fotografie und MA Fotografie – Photographic Studies.

Wir wollten diesmal (einmal) ein Thema haben, das nicht so sehr nach Kunst aussieht. Reisefotografie umspannt in ihrer Anwendung im sozialen Gebrauch das gesamte Spektrum von privatem und öffentlichen Bild. Zugleich ist die Reisefotografie ein Kulminationspunkt in der medialen Umwälzung: die kommerzielle Bedeutung der Reisefotografie sinkt in diesen Jahren kontinuierlich, sukzessive wird sie durch den personalisierten Reisebericht des Amateurs in den ‘social media’ oder von authentischen Berichten Einheimischer abgelöst – zumindest scheint es so.

Immer schon hat das Reisen die Menschheit inspiriert. Nur wenigen vorbehalten und zumeist mit größten Mühen verbunden, sind es oft die Reisedarstellungen ferner Länder und Welten, die die Vorstellungen beflügeln. Reisen war Sache der Händler, der Diplomaten – und der Heere. Ein Wagnis, das die meisten Menschen vergangener Jahrhunderte nur

bei Gefahr für Leib und Leben auf sich nahmen; stattdessen bewegten die Geschichten ferner Sphären und alternativer Welten den Geist.

So entwirft der amerikanische Autor Robert A. Heinlein in Die lange Reise, das Bild einer Gesellschaft, die, nicht ahnend, dass sie in einem Raumschiff seit Jahrhunderten durch das All reist, alle Bücher in der großen Bibliothek für die historische Realität hält.1Robert A. Heinlein, Orphans of the Sky, 1963, dt. Die lange Reise, 1967

Die Reisefotografie hat seit der Erfindung der Fotografie die Forschungsreisen und auch die „Grand Tour“, die aufwendigen Bildungsreisen des gehobenen Bürgertums im 19. Jahrhundert, begleitet. Damals, wie auch in der Zeit des aufkommenden Massentourismus, wird das fotografische Bild vor allem in seiner Belegfunktion des vermeintlichen Dokuments eingesetzt. Der Philosoph Günther Anders beklagt bereits 1956 in seinem Essay Ikonomanie die Bilderflut und den Verlust der individuellen Erinnerung, zeichnet eine Schreckensvision der durch massenhaft produzierte Bilder konstruierten Identität – mit bemerkenswert großer Ähnlichkeit zu den heutigen facebook stories.2Günther Anders, Ikonomanie, 1956 in: Wolfgang Kemp: Theorie der Fotografie III, 1983, S. 108-113Die professionelle Fotografie bedient derweil zumeist die Klischeevorstellungen in überwältigender technischer Qualität.

Bald 50 Jahre nach der Mondlandung lässt sich der aktuelle Stand der Reisefotografie in etwa wie folgt „klassifizieren“: Beschwerde (Hotelzimmer), Selfies (vor Wahrzeichen), Prospekt (Traumstrände) und Mode (wahlweise im fremden Stadtraum/vor Sonnenuntergang/vor exotischer, vom Untergang bedrohter Umwelt). Die engagierte Reportage und dokumentarische Fotografie hingegen widmen sich den sozio-politischen Themen eines globalisierten Marktes und dienen dabei oft der „Gentrifizierung“ bislang wenig erschlossener Areale. Die Beiträge dieser Ausgabe der cahiers suchen die Auseinandersetzung mit Fragen der Reise, mit den Vorstellungen der Welt.

  • 1
    Robert A. Heinlein, Orphans of the Sky, 1963, dt. Die lange Reise, 1967
  • 2
    Günther Anders, Ikonomanie, 1956 in: Wolfgang Kemp: Theorie der Fotografie III, 1983, S. 108-113