Andreas Till

Interview mit Todd Hido

Todd Hido, Homes at Night 5199

Der 1968 in Kent, Ohio geborene Todd Hido gehört seit mehreren Jahren zu den bekanntesten zeitgenössischen Fotokünstlern. Seine Arbeiten finden sich in zahlreichen Sammlungen, und sein Buch House Hunting von 2007 gilt schon jetzt als Fotobuchklassiker. Auch für ihn ist der Auswahlprozess ein wichtiger Teil seiner künstlerischen Arbeit. Andreas Till führte mit Hido ein Interview über dessen Vorgehensweise bei der Bildauswahl.

Bedienen Sie sich bei der Auswahl Ihrer Bilder bestimmter Muster?

Es sind auf jeden Fall Muster vorhanden, und es gibt definitiv Dinge, die mit meiner Arbeit passieren. Aber wenn ich wirklich so etwas wie ein Muster habe, dann versuche ich dieses Muster zu brechen. Oft arbeite ich mit Bildern von Orten und mit Bildern von Menschen, sowie mit dem Außen und Innen. Ich versuche diese Dinge ein wenig miteinander zu vermischen und dadurch manchmal etwas Unerwartetes entstehen zu lassen. Ebenfalls befindet sich in allen meinen Büchern nur ein Bild auf einer Doppelseite. Oft benutze ich dann die linke Seite als ein Mittel, um das Muster zu durchbrechen oder um einen Wechsel anzudeuten.

Kategorisieren und strukturieren Sie Ihren Bildpool im Voraus?

An und für sich mache ich einfach nur Bilder. Ich habe all diese unterschiedlichen Kategorien wie Häuser, Apartments, Portraits, Interieurs. Ich mache einfach meine Arbeit und packe mein Material in diese Ordner. Wenn es an der Zeit ist ein Buch oder eine Ausstellung zu gestalten, hole ich all die Bilder hervor, die ich bis ­dahin noch nicht benutzt habe und beginne daraus auszuwählen. Auf diese Art und Weise finde ich heraus, welche Bilder ich benutzen kann.
Von Zeit zu Zeit benutze ich ein Bild mehr als einmal, weil es einfach ein zentrales Foto ist, das es verdient, an mehreren Orten aufzutauchen. Aber normalerweise erstelle ich Bildgruppen, die ich als kleine Farbkopien auf einer Fläche ausbreite, so dass ich sie mühelos hin- und herschieben und in die richtige Reihenfolge bringen kann. Manchmal benutze ich auch iPhoto, da es durch Drag’n’Drop sehr einfach ist, Bilder zu ordnen und anschließend per Slideshow annähernd zu beurteilen, wie es aussehen wird. Das ist definitiv nicht so wie ein Buch, aber es ist ein guter Ausgangspunkt für eine Bildabfolge. Gewöhnlich benutze ich aber nur die Farbkopien.

Was geschieht mit den Bildern, die Ihren Auswahlprozess nicht überstehen?

In all meinen Büchern gibt es eine Bandbreite von Bildern aus den letzten zehn oder mehr Jahren. Falls sie nicht jetzt benutzt werden können, dann definitiv später. Außerdem bin ich extrem streng in meiner Entscheidung darüber, was ich in meinen Bildpool ­aufnehme und was nicht. Ich würde sagen 0,5 Prozent der Fotos, die ich mache, werden später genutzt oder schaffen es überhaupt geprintet zu werden.

Wieviel Zeit nehmen Sie sich für die Bildauswahl?

Meine Bildauswahl findet über einen Zeitraum von ca. sechs Monaten bis zu einem Jahr statt. Ich mache einen Dummy und ändere diesen dann sehr oft.

Wieviel Raum lassen Sie aleatorischen Angelegenheiten in der Entstehung Ihres Buches? Denken Sie, dass Ihre Bildauswahl eher rational oder emotional geleitet ist?

Ich bin ein riesengroßer Fan des Zufalls. Emotion ist für mich wichtiger als Logik. Ich bin sehr experimentierfreudig. Irgendwie finden die Dinge oft auf natürliche Weise zueinander. Ich meine, es gibt sicherlich einen Denkprozess dahinter, aber einige der besten Dinge passieren zufällig. Wenn ich die Reihenfolge in meinen Büchern festlege, mache ich das oft an einem Ort, an dem ich nicht abgelenkt werde, keine Musik höre, nicht an E-Mails denke oder daran, was ich zu erledigen habe. Ich schaffe einen Raum in mir selbst, in dem ich sehr flexibel, offen und kreativ sein kann. Ich bin nicht der Typ Fotograf, der eine Idee hat und dann an dieser Idee festhält und einen Rahmen für sein Projekt festlegt. So arbeite ich nicht. Ich bin wie ein Streuner. Selbst wenn ich Fotos mache, fotografiere ich Portraits, Landschaften, Nachtaufnahmen. All das kann in derselben Woche passieren, und wenn ich verreise, kann buchstäblich alles am selben Tag passieren. Wie ich schon sagte, ich suche meine Fotos zusammen und schöpfe daraus. Es ist sehr, sehr flexibel.

Arbeiten Sie bei der Bildauswahl mit anderen Personen zusammen?

Die Bildauswahl mache ich größtenteils selbst. Mein Verleger und ich haben ein prima Verhältnis zueinander. Er vertraut sehr auf meinen Instinkt und meine Meinung. Er ist wirklich großartig darin zu erkennen, wenn ein Künstler weiß, was er tut und hilft denjenigen, die mehr Beratung brauchen. Ich bekomme auch Meinungen von anderen Personen – wenigen anderen Personen. Aber ich schränke es ein, denn ich möchte nicht zu viel Input. Ich erinnere mich an die Zeit, als ich in der Universität war: man hat ein Seminar und bekommt fünfzehn verschiedene Ansichten. Am Ende ist man nur verwirrt. Ich denke, dass ich einfach meinen Instinkten vertrauen kann. Ich bekomme zwar frühzeitig schon ein erstes Feedback; das eigentliche Feintuning ist aber definitiv nur eine ­Einzelerfahrung.

Wie wichtig ist es, während des Auswahlprozesses auf Kompromisse einzugehen bzw. nicht einzugehen?

Wiederum bin ich sehr froh, dass ich mit einem Verleger zusammenarbeite, der meinen Instinkten vertraut. Ich hatte niemals das Gefühl, mit einem meiner Bücher einen Kompromiss eingegangen zu sein; und bin sehr glücklich, dass ich das sagen kann.
Jeder einzelne Aspekt der Bücher ist genau so wie ich ihn haben wollte, und das funktioniert auch, weil mein Verleger und ich denselben Geschmack haben. Wir denken sehr ähnlich. Das ist der Grund, warum es so wichtig ist, den richtigen Verleger für seine Arbeit zu finden. Man muss jemanden finden, der die Dinge mag, die man macht. In gewissem Sinne denke ich, dass Bücher fast wichtiger sind als die eigentlichen Ausstellungen, denn sie sind unvergänglich und verschwinden nie. Mit dem Buch hinterlasse ich etwas, das bleibt. Deshalb gehe ich generell keine Kompromisse bei meinen Büchern ein. Ich bin viel flexibler in Ausstellungen meiner Arbeiten, da eine Ausstellung eine vorübergehende Sache ist.

Dieses Interview ist Teil einer umfangreichen Interview-Reihe von Andreas Till, die sich mit den Themen Bildauswahl und Sequenzierung im Fotobuch auseinandersetzt.